Hier spenden:

Sumy, 10. April 2025

Jürg Roth

Am frühen Abend  des 10. April 2025 startet unser altbewährtes Team – Olga, Oksana, Sasha und ich zu einer langen und schwierigen Reise nach Sumy. Unser vollbepackter Minivan mit Anhänger hatte ein Gewicht von über 5 Tonnen. Die Fahrt führte bei heftigem Schneesturm durch dünn besiedeltes Gebiet in den Nordosten. Knapp vor Mitternacht durchquerten wir Kiew, wo eine rigorose Ausgangssperre ab 00:00 herrscht. An der Grenze zum Oblast Sumy werden wir während über 3 Stunden am Kontrollposten festgehalten. Erst ein Anruf bei Angelika Sokolenko (Lika), der langjährigen Freundin von Olga, geht es dann plötzlich ganz schnell, denn Angelika hat den Vize-Bürgermeister von Sumy angerufen, der sich für uns verbürgte.

Gegen 11 Uhr morgens empfing uns der Vize-Bürgermeister von Sumy mit seinem Stellvertreter. Die unerwartete Verzögerung am Kontrollposten der Armee wurde damit begründet, dass Sumy zur Kampfzone erklärt wurde. Das Leben wurde dadurch für alle Menschen komplizierter jedoch für die Sicherheit der Stadtbewohner notwendig. Kurz darauf beginnen wir mit der Verteilung der Esspakete und dem Schulmaterial für die erste Gruppe. Lika, die Präsidentin der humanitären Stiftung CHARITY FUND UKRAINE, hat alles bestens vorbereitet, so dass wir in knapp 2 Stunden mehr als 200 dankbare Familien mit Esspaketen und Schulmaterial beglücken konnten. Auch der Vize-Bürgermeister und sein Stellvertreter haben beide bei der Verteilung der Hilfsgüter aktiv mitgeholfen. Er dankt uns allen für diese Hilfsaktion und bittet, seine tiefe Anerkennung an die Schweiz weiterzuleiten. Dabei verweise ich stets auf unseren grossen Gönner Urs Lanz aus der Schweiz, dem wir alles zu verdanken haben. und zeige auf das Bild an unserem Minivan mit dem Logo der beiden Stiftungen.

Lika hat uns vorgängig orientiert, dass in dieser ersten Gruppe sehr viele Eltern mit behinderten Kindern seien. Es hat mich tief berührt, so viele Menschen in Not zu sehen, denen auch in Friedenszeiten ein schweres Schicksal bevorsteht.

Nach 2 Stunden galt es in aller Eile zusammenpacken, um zum zweiten Verteilpunkt zu gelangen. Dort erwarteten uns bereits viele Menschen, mehr Erwachsene und weniger Kinder, weshalb die Verteilung etwas zügiger verlief.  Danach machten wir uns auf den Weg zur dritten Station, wo uns deutlich mehr Menschen erwarteten. Die riesige Menschenschlange bereitete mir Sorge, zu wenig Esspakete und Schulmaterial verfügbar zu haben. Meine Befürchtungen erwiesen sich jedoch als unbegründet. Plötzlich und völlig unerwartet erschütterten zwei gewaltige Explosionen die Stille. Wir Vinnyzjaner schauten erschrocken auf, die ``Einheimischen`` zeigten sich jedoch unbeeindruckt und erklärten, dass dies täglich passiere.

Inzwischen war es bereits 18:30 Uhr und bis wir unseren Platz säuberlich aufgeräumt hatten, brach schon die Dämmerung herein. Todmüde machten als wir uns auf den Weg zu Likas Haus ausserhalb von Sumy. Zuvor mussten wir die verbleibenden Esspakete und das Schulmaterial in einem Lokal deponieren, welche Lika mit ihren Gehilfen zu einem späteren Zeitpunkt verteilen werden. Auch am heutigen Tag halfen uns unzählige Freiwillige, meist junge Menschen, beim Aus- und Einpacken sowie beim Aufräumen. Motto: ALLE HELFEN ALLEN.

Ein weiteres Mal spürten wir die tief empfundene Dankbarkeit der notleidenden Bevölkerung. Das sind immer schwierige Momente für mich.

Frisch geduscht und hungrig sassen wir um 9 Uhr am gedeckten Tisch in Likas` Haus. Sie hatte noch einige Freunde aus der Armee eingeladen, trotzdem oder vielleicht auch deswegen wurde kaum über den Krieg gesprochen. Offensichtlich wollen die Menschen bei solchen Gelegenheiten für kurze Zeit einfach den schwierigen Alltag vergessen.

Lika konnte nicht mehr mit uns frühstücken, sie war bereits dabei, die restlichen Pakete an Waisenkinder über eine kirchliche Missionsstation zu verteilen. Mit Glück konnten wir uns von ihr mit herzlichem Dank für ihre grosse Gastfreundschaft verabschieden.

Lika lebt mit Leib und Seele für die Hilfe an bedürftige Menschen. Der Abschied fiel schwer, zumal wir nicht wussten ob und wann wir uns wieder sehen werden. Putins Absicht ist, Sumy dem Erdboden gleich machen, und die gesamte Region als Pufferzone zu Russland zu betrachten. Seit Trump sich mehr um Zollpolitik kümmert, als sich für den versprochenen Frieden einzusetzen, wird dieses schreckliche Szenario immer wahrscheinlicher.

Die Heimfahrt verlief problemlos, um ca. 22 Uhr waren wir wieder zu Hause. Schon am nächsten Morgen schickt mir Olga ein kleines Video, das den gestrigen verheerenden russischen Bombenangriff im Zentrum von Sumy zeigt.




Auf dem Foto: v.lk. Vize-Bürgermeister von Sumy, Olga (VMD-S), Oksana (VMD-S), dahinter der Stellvertreter des Vize-Bürgermeisters, Lika, ein aktives Mitglied der Stiftung CHARITY FUND UKRAINE und ich. 
 
 
 
Hilfsaktion VMD-Stiftung in Sumy 11. April 2025, kurz vor der Explosion durch 2 russische ballistische Raketen. Jürg Roth schreibt zu diesem Bild:
«Bei Verteilen der Hilfsgüter kommen sehr oft Menschen auf mich zu, umarmen mich und danken für die Hilfe, die wir bringen. Das sind immer schwierige Momente, denn erstens ist es der grosse Spender aus der Schweiz, der diese Aktionen mit seinem Legat ermöglicht und zweitens fühle ich mich unwohl als Privilegierter»
 
 
 
 
Hilfsaktion VMD-Stiftung in Sumy, 11. April 2025, Kommentar von Jürg Roth
«Es ist ausserordentlich schwer zu ertragen, dass diese vielen Inlandvertriebenen eine sehr ungewisse Zukunft haben. Diese Menschen wurden zwangsevakuiert, weil sie sehr nahe der russischen Grenze wohnten. Viele Familien verloren ihr Haus und fast alles was sie besessen haben. Jetzt sind sie auf Hilfe Dritter angewiesen. Das muss ein sehr schwieriges, entwürdigendes Gefühl sein.»